Kurze Hosen, Sandalen, weit hochgezogene weiße Socken, ein Bäuchlein unter dem Hawaiihemd. So sieht in den Augen vieler der typische Tourist aus, und zwar im negativen Sinne. Die (Reise)Welt wird immer mehr von Klischees und Vorurteilen bestimmt. Die einen sind Reisende, die die Welt entdecken, die anderen sind Touristen, die Urlaub machen. Ich weiß nicht wie oft ich mich schon über diese Stigmatisierung geärgert habe.
Urlaub oder Reise – das ist die Frage
Das Wort Tourist klingt aus vielen Mündern wie ein Schimpfwort. Touristen sind die, die in Horde reisen, uninteressiert durch die Botanik stampfen, natürlich pauschal unterwegs und nur auf der Suche nach dem nächsten Schnappschuss oder einem Boxenstopp mit Bier und Pommes.
Oftmals wird nur aufgrund der Reiseform entschieden, zu welcher Gruppe jemand gehört. Wer in den Urlaub fährt, der ist definitiv Tourist, hat wahrscheinlich Al Inklusive gebucht und wird maximal am Pool oder am Strand abhängen.
Diejenigen, die eine Reise unternehmen, haben nicht nur Spannendes zu erzählen, sie sind mit Sicherheit individuell, nachhaltig und total cool unterwegs. Vor Ort kommen sie nicht nur mit Einheimischen zusammen, sondern erleben auch noch fantastische Abenteuer. Soweit die Klischees.
Als Reisebloggerin bin ich in den sozialen Medien und vielen Gruppen unterwegs. Das Niedermachen der Pauschaltouristen geht mir gehörig auf die Nerven und in dieser Woche kam sogar noch Häme für gestrandete Thomas Cook-Gäste dazu. Meine Schmerzgrenze ist erreicht.
Was ist eigentlich eine Pauschalreise?
Bei einer Pauschalreise werden mindestens zwei Reiseleistungen, z.B. Transport und Unterkunft zusammengefügt. Das kann ein Flug oder eine Fähre in Kombination mit einem Hotel sein.
So heißt es im Gesetz: „Ein Pauschalreisevertrag ist ein Vertrag zwischen Reisenden und Unternehmern (Reiseveranstalter), der eine Pauschalreise zum Gegenstand hat. Eine Pauschalreise liegt vor, wenn es zu einer Bündelung von mindestens zwei verschiedenen Arten von Reiseleistungen für den Zweck derselben Reise kommt, also eine Reisepaket („verbundene Reiseleistungen“) vorliegt. Quelle: Bundesamt für Justiz
Laut der Definition gehören auch Teilnehmer einer organisierten Studienreise, Wandertour oder Sprachreise zur Gruppe der Pauschalreisenden. Ist jemals einer auf die Idee gekommen, sie als doofe Pauschalis zu verurteilen? Warum wird auf diejenigen herab geschaut, die eine Paketreise buchen?
Allein unter Pauschalreisenden
Ich war selbst einige Jahre täglich von Reisenden umgeben, überwiegend von Pauschaltouristen, denn ich habe als Reiseleiterin mein Geld verdient. Das war nicht nur eine verdammt coole Zeit. Ich habe unglaublich viel fürs Leben und über die Menschen gelernt.
Natürlich gab es zahlreiche Gäste, die mit der Buchung ihrer Reise ihr Denken abgegeben haben. Damals hat es mich genervt, heute sehe ich es differenzierter. Dafür waren meine Kollegen und ich schließlich da, wir hatten unsere Daseinsberechtigung, weil wir unseren Gästen einen unbeschwerten Urlaub ermöglicht haben. Ich leugne nicht, dass es einen Haufen Idioten gab, die sich über die Fliege an der Wand beschwert haben und keinen Schritt allein gehen konnten.
Doch es ist wie im „normalen“ Leben auch. Es gibt überall Pappnasen und tolle Menschen. Und aus der Kategorie tolle Menschen habe ich damals ganz viele kennengelernt. Menschen, die ihren wohlverdienten Urlaub genießen wollten. Einziger Unterschied zu den Reisenden: Sie haben Flug, Hotel und ggf. Transfer im Paket gebucht. Also eine Pauschalreise. Viele meiner Gäste haben mich nach Geheimtipps, Routen, Restaurants gefragt. Sie standen mit ihren Landkarten vor mir und haben die Gegend mit dem Mietwagen erkundet. Oder sie haben Ausflüge gebucht, weil sie etwas vom Land sehen wollten.
„Es ist leichter, einen Atomkern zu spalten als ein Vorurteil.“ Albert Einstein
Was ist daran schlechter als vor Ort zu einer lokalen Agentur zu gehen und dort die gleiche Tour zu buchen. Im besten Fall sitzen Urlauber und Reisende im Minibus oder auf dem Ausflugsschiff nebeneinander.
Viele sogenannte hotspots der backpacker sind nichts anderes als transferierter Komfort der westlichen Welt. Wenn ich an die khaosan road in Bangkok denke, dann gruselt es mich heute noch. Inzwischen kommen noch die zahlreichen Instagramer dazu. Das Schubladendenken sollte endlich vorbei sein.
Keiner ist der bessere Reisende, denn egal ob individuell, pauschal, in der Gruppe oder wie auch immer unterwegs. Respekt für das bereiste Land und seine Menschen sind mir wichtig und das hat nichts mit der Reiseart zu tun. Heutzutage gibt es viele Reiseveranstalter, die anspruchsvolle, nachhaltige und kreative „Pauschalreisen“ oder Gruppenreisen anbieten. Auf der Seite des Forum anders Reisen findet Ihr tolle Reiseideen – auch im Paket.
Wie reist Ihr so und wie sieht es mit Euren Vorurteilen aus? Lasst Ihr sie zu oder versucht Ihr Euch in Toleranz zu üben?
Ich freue mich über Eure Kommentare und wünsche Euch einen schönen Sonntag. ♥
Gedanken zum Reisen von lieben Bloggerkollegen
- KindAmTellerrand | Reisepädagogik in Lloret de Mar
- Weltwunderer | Sätze, die wir als reisende Familie nicht mehr hören können
- Reisespatz | Wie reisen uns als Familie verändert hat
- LieschenRadieschenreist | Grenzen abbauen
- MightyTraveliers | Zitate und Sprüche übers Reisen
Liebe Ines,
du hast soooo recht! Ich finde es auch unmöglich wie „Reisende“, „Individualtouristen“ oder auf „Urlauber“ und „Pauschaltouristen“ herab sehen. Das ist ein sehr mehrwürdiges Gebaren. Ich finde, es gibt kein richtig und falsch beim Reisen, sondern nur ein passend und unpassend. Wenn mir der Sinn nach Abenteuer steht, dann mache ich halt meine individuelle Backpacker-Tour. Will ich mich erholen, reichen Pool und Strand und das möglichst im Paket, damit ich mich um nichts mehr kümmern muss. Es würde mich nicht wundern, wenn der Neid aus jenen selbsternannten Reise-Vorbildern spricht, die den anderen Strand und Pool nicht gönnen. Entspannen muss man schließlich auch können 😉
Da ein Reisender jemand ist, der sich auf eine Reise befindet, so ist also jeder Urlauber , Tourist und Backpacker ein Reisender. Jeder einzelne ist, wenn er freizeitlich unterwegs ist, ein Tourist. Da kenne ich keine Unterschiede, kein besser oder schlechter. Als erfahrene Reiseverkäuferin mag ich die Wertungen, die mancher an die einzelnen Begriffe hängt, nicht. Der Backpacker ist nicht besser als der, den einen Allinkl. Urlaub gebucht. Er reist nur anders.
LG
Ulrike
Da hast du dir mal Luft gemacht, Bravo Koukla! Hast mich auch nochmal zum Nachdenken angeregt, danke dafür! Und ja, unsere gemeinsame Reiseleiterzeit bei Thomas Cook war meine beste Lebensschule, weshalb ich in diesen Tagen auch sehr betrübt bin, trotz aller nötigen, differenzierten Betrachtungsweisen.
Deine Drea
Ich danke Dir und denke gerade im Moment sehr viel an die alten Zeiten. ♥ Filakia poli, Ines