Ich bin ein geselliger Mensch und habe gern Freunde und Familie um mich. Das ist mir sehr wichtig und macht mich glücklich. Andererseits genieße ich es auch, allein zu sein, nur so mit mir. Auch das ist mir wichtig, sehr wichtig.
Der Lockdown und die ganze Coronazeit haben es schwer gemacht, ein paar Stunden allein zu sein. Homeschooling, homeoffice, hometraining, alle waren (fast) immer zu Hause – zumindest eine sehr lange Zeit. Ich glaube, wir haben das als Familie gut gemeistert und doch sehnte ich mich immer mehr nach einer kleinen Auszeit allein. Ich weiß, das klingt für viele nicht sehr verlockend, aber allein sein heißt nicht einsam, das ist ein großer Unterschied. Die wenigen Male, die ich solo unterwegs war, habe ich genossen und langweilig ist mir mit mir noch nie geworden.
Im Spätherbst hat es mich dann gepackt. Kurzerhand habe ich ein Bahnticket und ein Zimmer auf der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst gebucht. Dass ich noch ein nettes Hotel in Wustrow, nur ein paar Schritte von der Ostsee entfernt, gefunden habe, war ein kleines Wunder. Oder ein Zeichen. Wie auch immer, in diesem Blogpost erzähle ich Euch von den Highlights meiner kleinen Auszeit.
Ostseebad Wustrow
Ich hatte keine festen Pläne, wollte einfach nur am Meer sein, den Kopf auslüften, durchatmen, Rad fahren, ausschlafen und lesen. Nichtstun bin ich nicht gewohnt und der Entdeckergeist ist doch zu groß.
Am ersten Tag streife ich durch Wustrow, starte auf der Seeseite mit den alten Kapitänshäusern, der Seebrücke und am Strand laufe ich zum bekanntesten Fotomotiv des Ortes – den abgestürzten NVA-Bunkern. Ursprünglich standen sie oberhalb der Steilküste, sind aber durch die starken Küstenabbrüche irgendwann ins Meer gestürzt.
Wustrows „andere“ Seite liegt am Bodden. Bis zum kleinen Hafen kommen sicher die meisten, aber der idyllische Ortsteil Barnsdorf mit denkmalgeschützten Bauernhöfen liegt relativ weit vom Meer entfernt und wird oft übersehen.
Am Hafen steigt mir ein köstlicher Duft in die Nase, der Kindheitserinnerungen weckt. In Gedanken bin ich in Omas Garten, mein Vater schmeißt den Räucherofen für den selbst gefangenen Fisch an. Zurück ins Hier und Jetzt. In Wustrow kommt der Duft von der Fischräucherei Dabels. Hier wird täglich (in der Saison) der Räucherofen geöffnet. Frischer geht es nicht. Direkt aus dem Rauch kommt der Tagesfang auf den Teller oder ins Papier zum Mitnehmen.
Am Abend gehe ich noch einmal an den Strand, lasse mich vom Wind durchpusten und genieße die friedliche Stimmung kurz vor dem Sonnenuntergang . So kann es weitergehen.
Mit dem Rad von Wustrow über Ahrenshoop nach Born
Am nächsten Morgen werde ich stolze Besitzerin ein Rades, zumindest für die nächsten drei Tage. An der Wustrower Seebrücke starte ich meine Tour nach Born auf dem Darß. Schon das erste Stück ist ein Träumchen. Der Weg von Wustrow nach Ahrenshoop verläuft oberhalb der Steilküste am Hohen Ufer. Hier zeigt sich die Küste wild und schroff mit ihren gelben Abbruchkanten. Der Ausblick auf die zerklüfteten Felsklippen und Ostsee ist fantastisch.
Die blaue Bank oberhalb der Steilküste ist nur ganz selten frei. Ein Grund, kurz abzusteigen und ein Beweisfoto zu machen.
In Ahrenshoop überquere ich die Grenze. Tschüss Mecklenburg, hallo Vorpommern. Im Künstlerort Ahrenshoop wird es trubelig: Fahrräder, Fußgänger, Rollerfahrer von allen Seiten. Ich radle langsam durch den Ort und schaue mich ein wenig um, doch nach Kunst steht mir heute nicht der Sinn (was im Ort der Maler und Kunstschaffenden sicher verwerflich ist).
Galerien und Ausstellungen lasse ich links liegen und halte nur an der knallblauen Kunstscheune und der Schifferkirche. Sie ist komplett aus Holz und beeindruckt mich durch ihre besondere Architektur, denn sie sieht aus wie ein Boot, das kieloben lieg. Es lohnt sich, auch einen Blick ins Innere der Kirche zu werfen.
Hier verlasse ich Ahrenshoop und biege Richtung Born ab. Auf dem Boddendeich krame ich fix meine Mütze aus dem Rucksack. Während es auf der Seeseite windstill war, bläst hier eine ordentliche Boddenbrise. Im norddeutschen Grundgesetz heißt es zwar, der Wind kommt immer von vorn, doch auf dem Darß scheint das nicht zu stimmen. Er kommt definitiv immer von der Seite. Ganz egal, in welche Richtung ich fahre. Ok, manchmal kommt er gleichzeitig von vorn und von der Seite. Für die vielen Kitesurfer, die ich auf dem Bodden sehe, sind die Windbedingungen absolut perfekt.
Durch den Gegen(Seiten)wind fahre ich recht gemütlich, freue mich über die Sonne, das glitzernde Wasser und die beiden Kraniche, die über den Bodden gleiten. Gelegentlich wird die Idylle unterbrochen, wenn E-Bikes, die SUV`s unter den Rädern, an mir vorbeischießen. Ganz ehrlich, so richtig warm werde ich mit diesen E-Bikes nicht.
Als ich in Born ankomme ist es Liebe auf den ersten Blick. Die farbenfrohen Häuser mit Reetdächern und ihren berühmten bunten Darßer Haustüren sind einfach bezaubernd. Davor liegen idyllische Vorgärten, hier und da blitzt im Hintergrund der Bodden. Am liebsten würde ich alle Schmuckstücke fotografieren, fühle mich aber etwas unwohl, ein wenig wie ein Eindringling in das Leben der Anderen. Die Motive sind aber auch verdammt verlockend.
Für eine zünftige Mittagspause steuere ich das Hafenbistro am kleinen Borner Hafen an. Die Idee haben noch viele andere. Trotzdem ist es entspannt, die Ausflügler verteilen sich und es ist ein herrliches Päuschen am Wasser mit Sonnenschein und einem seehr leckeren Matjesbrötchen.
Bevor ich Born verlasse, halte ich für einen Kaffee an der Alten Bäckerei. Der Kuchen ist lecker und das Café ganz schnuckelig, doch bei dem herrlichen Wetter genieße ich lieber jeden Moment draußen. Dann geht es wieder zurück und ich bin gespannt, ob ich nach meinen gut 30 Radkilometern morgen Muskelkater haben werde.
Mit dem Zeesboot auf den Bodden
Es ist die letzte Abfahrt heute. Der Himmel hat schon sein Feierabendrosa angezogen, es wird langsam kühler. Ich freue mich riesig, endlich mit einem Zeesboot zu fahren. Mit mir gehen sechs weitere Passagiere an Bord. Die Corona-Bestimmungen erlauben aktuell nur eine begrenzte Personenanzahl und den üblichen Abstand.
Unsere Skipper sind Jochen und Lutz, die über die Tradition der Zeesboote erzählen und uns mit charmanten Geschichten unterhalten. Ein bisschen Seemannsgarn ist ganz bestimmt dabei.
Als olle Frostbeule bin ich zwar gut eingepackt an Bord gegangen, habe mir aber vorsorglich noch eine anständige Segeljacke bei Jochen ausgeliehen. Wie sich zeigt, eine gute Idee, denn anfangs geht es zackig und spritzig über den Bodden. Dann lassen Wind und Geschwindigkeit nach und wir segeln fast geräuschlos.
Unsere Skipper überlassen das Steuer auch gern mal ihren Gästen. Fast alle wollen ausprobieren, wie es sich anfühlt, so ein prächtiges Segelboot über den Bodden zu steuern. Ich lasse gern anderen den Vortritt und wollte eigentlich nur kurz ein Erinnerungsfoto machen, aber nichts da. Jochen meint, ein Foto muss man sich erarbeiten. Recht hat er und lässt mich steuern und steuern und denkt gar nicht daran, mich abzulösen. Als die schmale Hafeneinfahrt direkt vor mir liegt, komme ich mächtig ins Schwitzen. Das Anlegen haben dann glücklicherweise wieder die Zeesbootkapitäne übernommen.
Das war ein fantastischer Abend, eine Fahrt mit einem Zeesboot kann ich Euch sehr empfehlen.
Mit dem Rad von Wustrow zum wild-romantischen Weststrand
Und wieder geht es in Wustrow los, am Hohen Ufer entlang, einmal quer durch Ahrenshoop. Ich muss noch ein Stück weiter, nördlich von Ahrenshoop beginnt der Darßwald. Er ist über 5000 Hektar groß und Teil des Nationalparks Vorpommersche Boddenlandschaft.
Ich tauche in den Wald ein und versuche mich zu orientieren, um den richtigen Weg zum Strand zu finden. Es ist ganz still, gelegentlich höre ich von irgendwo Vögel und den Wind, der über die Bäume streift. Nur ganz selten treffe ich auf andere Radfahrer und Wanderer.
Der nächste Abzweig führt mich an den Weststrand. Er schließt sich direkt an den Darßwald an und ist eine richtige Berühmtheit. Er wurde zu einem der schönsten Strände Deutschlands gewählt. Nicht allein wegen des feinen, weißen Sandes, den eigentlichen Charme des Weststrandes macht vor allem das Ungezähmte und Wilde aus. Windschiefe Bäume, riesige Wurzeln, alte Baumstämme, hier schreibt die Natur das Drehbuch.
Ich laufe am Strand entlang, fotografiere jede zweite Wurzel und suche mir ein Genießerplätzchen. Ich muss zugeben, der Weststrand ist ein wundervoller Ort und jetzt im Herbst nicht überlaufen.
Mit meinem Rad cruise ich noch ein wenig durch den Wald und fahre dann langsam zurück nach Wustrow. Tschüss Weststrand, wir sehen uns wieder.
Und langsam wird es auch Zeit, Wustrow und der Halbinsel Auf Wiedersehen zu sagen. Die Tage sind schnell vergangen, sie waren gut gefüllt und dennoch habe ich die nötige Ruhe gefunden. Mein Programm, meine Struktur, mein Tempo. Das habe ich sehr genossen. Es ist nicht mein erster Solotrip und schon gar nicht mein letzter. Ich merke immer wieder, wie wichtig Zeit allein ist und wie sehr ich mich dann wieder auf meine Rasselbande freue.
Wie sieht es bei Euch aus? Nehmt Ihr Euch kleine Auszeiten? Könnt Ihr gut mit Euch allein sein?
Noch ein paar Tipps & so für Fischland-Darß-Zingst
Fahrradverleih
Fahrradverleiher gibt es in jedem Ort. Meine Wahl viel auf den Shop 8 in Wustrow. Warum weiß ich nicht mehr. Ich kann ihn auf jeden Fall weiterempfehlen, die Jungs sind super nett und finden schnell Modelle, die zu meinen Wünschen passen. Ich darf in der Strandstraße Probe fahren und bin die gesamte Zeit happy mit meinem Rad.
Der Shop 8 hat mehrere Filialen auf der Halbinsel, z.B. in Ahrenshoop, Born, Zingst und Prerow.
Fahrradverleih Shop 8
Strandstraße 4A, Wustrow
www.fahrrad-shop-8.de
Zeesboot-Fahrten ab Wustrow
Die Segeltörns dauern ca. 1,5 Stunden. Gefahren wird von Mai bis Oktober, täglich um 11:00 Uhr, 13:00 Uhr, 15:00 Uhr und 17:00 Uhr.
Kosten: 18,- EUR Erwachsene (10,- EUR Kinder)
Kontakt/Anmeldung für Zeesboot-Fahrten ab Wustrow: Jochen Eymael, Tel. 0151 28776273
Kulinarisches auf Fischland-Darß-Zingst
Restaurant Moby Dick
Strandstraße 54, Wustrow
Direkt an der Seebrücke, von der Terrasse hat man Meerblick. Das Restaurant ist maritim gemütlich, der Service nordisch-herzlich und das Essen köstlich. Fischliebhaber sind hier goldrichtig, für Vegetarier gibt es leckere Alternativen.
Die Anzahl der Restaurants in Wustrow ist überschaubar, daher unbedingt reservieren.
Wustrower Fischerschmaus
Strandstraße 60, Wustrow
Imbiss kurz vor der Seebrücke, große Auswahl an Fischbrötchen und Fischgerichten, schnell und sehr köstlich.
Kaffeemühle Ahrenshoop
Feldweg 7, Ahrenshoop
Hier habe ich den besten Kaffee auf der Halbinsel getrunken und konnte mich bei dem großen Kuchenangebot kaum entscheiden. Das Café befindet sich in einer alten Mühle und ist nordisch gemütlich eingerichtet. Im kleinen Shop gibt es Tee, Kaffee, Schmuck und Kunsthandwerk. Bei gutem Wetter sitzt Ihr im großen Garten sehr urig direkt an der Schafweide.
Café „Alte Bäckerei“
Im Moor 7, Born am Darß
Guter Kaffee, leckerer Kuchen und gemütliche Einrichtung.
Anreise nach Fischland-Darß-Zingst
Wer mit dem Auto aus Richtung Berlin oder Hamburg kommt, verlässt die Autobahn in Rostock an der Abfahrt 6 (Rostock-Ost) und folgt der Bundesstraße B105 bis auf die Halbinsel.
Mit der Bahn fährt man z.B. von Berlin oder Hamburg über Rostock nach Ribnitz-Damgarten, dann geht es weiter mit dem Bus. Die Linie 210 verkehrt zwischen Ribnitz und Barth im Stundentakt. Ticketpreis vom Bahnhof Ribnitz-Damgarten bis Wustrow 4,50 EUR.
Infos und einen Fahrplan findet Ihr hier: https://www.vvr-bus.de
Auf der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst ist das Busnetz der VVR gut ausgebaut. Ich habe gute Erfahrungen mit den Bussen gemacht, sie aber nur für die An- und Abreise genutzt. Ansonsten war ich nur mit dem Fahrrad unterwegs.
Hier findet Ihr noch mehr Reiseberichte von der Ostsee:
- Mein schönster Ostseeradweg | immer am Meer entlang
- Mitsegeln auf der Ostsee oder eine Bangbüx auf Segelregatta
- Heimweh statt Fernweh | Kühlungsborn, mein Platz zum Ankern
- Lifestylehotel SAND | die grüne Perle am Timmendorfer Strand
- Containerlove im DOCK INN | Eine Nacht im Überseecontainer
Transparenzhinweis: Diese Reise mit allem, was dazugehört, habe ich selbst finanziert. Alle genannten Orte, Aktivitäten etc. sind meine persönliche Empfehlung und keine kommerzielle Werbung.
Da haben wir in den Osterferien Urlaub gemacht, eine sehr malerische Gegend!
Die Ostsee ist wirklich zu jeder Zeit eine Entspannungsoase,Deine Bilder strahlen es aus
Warte Mal…Spätherbst und so perfektes Wetter? Wie wunderbar.
Liebe Ines, das sind mega schöne Eindrücke.
Toll, dass du so eine schöne Zeit hattest.
Und nur wer sich selbst auch genug ist und sich und sein Leben liebt, kann so eine tolle Mama, Kollegin und Freundin sein 🙂
P.S. die Seglerjacke steht dir unglaublich gut. Kein Wunder das du so lange ran musstest..
Liebe Grüße
Janine!
Ach schnief, vielen Dank für Deine lieben Worte.:-) Wenn ich noch ein Kompliment für die Seglerjacke bekomme, kaufe ich mir eine.
Liebste Grüße, Ines
Stell dir vor, eine meiner erinnerungsträchrigsten Auszeiten hab ich auch mal auf dem Darß verbracht, in einem kleinen blauen Borner Häuschen ganz für mich allein und es war ebenfalls Herbst :-)! Toll war das! Und du hast es scheinbar auch sehr genossen! Danke für den Artikel. Die Segeljacke steht dir übrigens richtig gut, bist halt ne echte Meck-Pommi 🙂
Und dieses Jahr hab ich ein paar Tage mit meiner Schwester für‘s Fischland reserviert, auch ne besondere Auszeit! Bis bald, Andrea
Hab vielen Dank für Deine lieben Worte. An Dein blaues Haus habe ich auch gedacht als ich auf dem Darß war. Wie schön, dass Ihr Eure Auszeit noch vor Euch habt. Genießt sie und macht Euch wundervolle Tage. Liebe Grüße, Ines