Damit habe ich nicht gerechnet. In der Abgeschiedenheit Saaremaas ist mein Herzensmann verliebt. Frisch verliebt, so richtig – mit glänzenden Augen, unruhig tänzelnd. Doch er schaut nicht mich an. Zugegeben, sie strahlt eine Frische aus, sie riecht gut, nach frischem Holz, und zieht viele, sehr viele bewundernde Blicke auf sich. Auch ich bin begeistert.
Nun aber mal der Reihe nach. Die vorletzte Station unseres Baltikum-Roadtrips ist Estlands größte Insel Saaremaa. Die Überfahrt vom Festlandshafen Virtsu dauert 25 Minuten. (Zum Glück, denn auf der Hintour schaukelt der Kahn mächtig gewaltig.) Die Fähre legt in Kuivastu auf der kleinen Insel Muhu an, von hier geht es über einen Damm weiter nach Saaremaa.
Da wir noch keine Übernachtung haben, schauen wir uns in der Inselhauptstadt Kuressaare um. Die Hotels sind uns zu städtisch, falls man in einem Ort mit 14.000 Einwohnern davon reden kann. In einem Café stöbern wir ausgiebig im world wide web. Im Land des Skype-Erfinders gibt es schließlich (fast) überall freies WLAN. Südlich von Kuresaare finden wir ein Hotel mit Familienzimmern, direkt am Strand von Mändjala-Järve.
Insel Saaremaa – einfach Ferien
Wir nehmen uns Zeit für die Insel und verlängern sogar, denn nach fast zwei Wochen Roadtrip wollen die Kinder und der Mann eine Pause. Dafür ist Saaremaa (zu deutsch Ösel) ideal. Eine richtige Ferieninsel mit langen Stränden, Wäldern, Steilküsten und einer gemütlichen Inselhauptstadt.
Wahrzeichen der Insel sind die vielen Windmühlen, die aber nur halb so spektakulär sind wie der Kratersee Kaali. Vor Zigtausend Jahren krachte ein Meteorit vom Himmel und hinterließ auf Saaremaa ein Kraterfeld. So entstand auch Kaali, der mit einem Durchmesser von 110 m und 22 m Tiefe immerhin der achtgrößte Krater der Welt ist. Die Ausmaße kommen auf dem Foto nicht wirklich rüber, aber der Kaali ist schon gewaltig.
Die Steilküste Panga
Unsere absolute Nummer 1 auf Saaremaa ist die Steilküste von Panga. Erstaunlich, dass weder im Reiseführer noch in irgendwelchen Broschüren ein Wort darüber zu finden ist. Oder ist das Absicht? Kein Wunder, dass außer uns nur noch drei Autos auf dem abgelegenen Parkplatz stehen.
Eine ordentliche Ostsee-Briese weht uns um die Ohren. Hier im Inselnorden sind wir an der höchsten Steilküste Saaremaas. Die Klippen sind über 20 Meter hoch. Wir folgen dem Wanderweg oberhalb der Küste und ich passe auf, dass keiner zu nahe am Abgrund läuft. Für die Sicherheit fühle ich mich immer zuständig, der Viermal Fernweh-Vater für das Abenteuer. Das lässt nicht lange auf sich warten. Ein dickes Seil macht den Abstieg möglich. Natürlich habe ich anfangs Bedenken, aber erstens werde ich überstimmt und zweitens war die Abseilaktion sehr genial.
Die Steilküste, Krater Kaali und der Windmühlenpark Angla lassen sich gut verbinden, da sie nahe beeinander liegen.
Auf dem Rückweg halten wir an einem Straßenstand. Eigentlich nur, um etwas zu trinken zu kaufen. Bei einem Plausch mit dem Verkäufer erfahren wir, dass sich zwei Landsleute hier im letzten Winkel Estlands niedergelassen haben und eine kleine Senfmanufaktur betreiben. Mit zwei Gläsern Senf im Gepäck (die sehr lecker sind) fahren wir zurück nach Kuressaare.
Kuressaare
In Kuressaare (dt. Ahrensburg) ist es so gemütlich wie in Omas Garten. Alles ist liebevoll angelegt, klein, bescheiden und doch so schön. Keine Hektik weit und breit, nette Cafés, ein paar Geschäfte, bunte Holzhäuser und fertig. Klingt zu langweilig? Ist es überhaupt nicht. Im Stadtpark, am Strand oder Hafen, irgendwo ist immer was los. Auffallend sind die vielen Spa- und Wellnessangebote, mit denen fast jedes Hotel wirbt.
Die Hauptattraktion der Inselhauptstadt ist die mittelalterliche Bischofsburg. Sie sieht riesig aus. Dicke Mauern, ein hoher Wall und ein Burggraben lassen sie uneinnehmbar erscheinen. Aber nicht für uns.
Wir laufen über den hohen Wall ins Innere, sehen uns bei den Handwerkern um und im Festungshof versuchen wir uns im Bogenschießen. Daraus wird schnell ein Familienwettbewerb. Gegen die Jungs haben wir keine Chance, da gehört schon eine ordentliche Portion Kraft dazu.
In der Burg kann man ein paar Stunden verbringen. Das Museum von Saaremaa befindet sich hier, verschiedene Ausstellungen und mit dem Boot kann man die Burg umrunden.
Mein Tipp für gutes Essen ist das älteste Restaurant in Kuressaare Saremaa Veski. Die Atmosphäre in der Mühle ist rustikal, auf der Speisekarte stehen regionale Spezialitäten und die Bedienung ist sehr freundlich. Folklore gibt es hier nicht jeden Tag, aber während der Meerestage immer abends.
Meerestage in Kuressaare
Jedes Jahr im August wird in Kuressaare die Meereswoche mit Konzerten, Veranstaltungen und Märkten gefeiert. Abschluss sind die Meerestage, auf estnisch Kuressaare puhkeala ja rannaäär, die wir uns nicht entgehen lassen. Auf dem Regionalmarkt probieren wir ein paar Leckereien und das typische Brotgetränk kali, das in Lettland kvass genannt wird.
Und dann traf der Viermal Fernweh-Vater auf seine neue Liebe.
Sie ist knapp zwei Meter hoch, formschön, nordisch schlicht und hat Platz für vier Personen. Sie ist ein wirklich cooles Teil, diese Iglusauna. Der Mann ist hin und weg. Schwupps ist er mit dem Vertreter verschwunden, klärt Maße, Preise, Transportmöglichkeiten usw.
Zugegeben, der Rest der Familie ist auch sehr begeistert und hat schon mal Probe gesessen. Passt! Die Ecke im Garten ist in Gedanken auch schon gefunden.
(*Nachtrag: Zurück in Deutschland dachte der Mann noch lange sehnsüchtig an seine estnische Iglusanua und schweren Herzens entschied er sich gegen sie. Schade. Mit dieser Estin im Garten hätte ich gut leben können. ;-))
Ihr hättet dieses Teil auch gern zu Hause? Alle Infos gibt es unter Iglusauna.ee.
Saaremaa hat uns so gut gefallen, dass wir länger blieben als geplant. Gern hätten wir mal eine Nacht im Zelt verbracht, doch die Entscheidung für´s Hotel erwies sich als richtig. Tagsüber war das Wetter ganz gut, nachts schüttete es so, dass wir auf unseren Isomatten wohl davon geschwommen wären.
Achja, falls Ihr eine Reise nach Estland plant und Euch erzählt wird, dass Saaremaa viel zu touristisch ist, lasst Euch nicht beirren, das ist Quatsch. An vielen Orten der Insel waren wir die einzigen Besucher und mal auf ein paar Menschen zu treffen ist ja an sich auch nichts Schlimmes.
Mehr Reiseberichte von unserem Roadtrip durch das Baltikum:
- Soomaa Nationalpark | Moorwanderung mit Kindern
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[…] Saaremaa, die größte Insel Estlands, hat es uns so gut gefallen, dass wir spontan verlängert und dafür einen anderen Punkt gestrichen haben. Die Insel ist extrem vielfältig mit Steilküste, riesigem Meteoritenkrater, der Burg von Kuressare und langen Sandstränden. […]
[…] Saaremaa | von Steilküsten, Kratern und einer neuen Liebe […]
Oh Saaremaa!! Hier haben wir auch sehr schöne Tage verbracht und haben auch die Senfmacher besucht! Der Heidelbeersenf war besonders lecker 🙂 Du hast vollkommen recht, Saaremaa ist ganz und gar nicht touristisch. Wir waren im Mitte Juli dort und waren überall fast die einzigen Touristen. Ich werde bald auch meinen Bericht über Saaremaa schreiben. Liebe Grüße Julia
viele Grüße von den Senfmachern auf Saaremaa.
Ein sehr schöner Reisebericht.
An der Steilküste Panga gibt es auch einen kleinen Trampelpfad, über den man nach unten kommt. Den haben wir schon mit einer 85jährigen Dame gemacht, man muß für den Rückweg nicht über das Seil hochsteigen. Der Zugang liegt ungefähr parallel zur Einfahrt auf den Parkplatz.
Die Steilküste sollte man sich in jedem Falle von unten anschauen, ganz spektakulär ist es beim Sonnenuntergang, da leuchtet der Felsen rotorange.
Im Augenblick ist es noch winterlich, ab Mitte Mai explodiert dann der Frühling.
Hier unsere Tipps für 2017:
– wilde Orchideen von Mai bis Juli
– Opernfestival im Burghof im Juli
– Meeresfest im August
– Gourmetfest im September mit großen Straßenpicknick
Falls jemand dieses Jahr auf Saaremaa ist, wenn immer es zeitlich geht, geben wir Insidertipps. Wir sind nur ca. 5 km von der Steilküste zu finden.
Ich hoffe es ist ok, ich habe euren Artikel hier geteilt:
https://www.facebook.com/SaaremaaIndividuell/
Jeder, der auf Saaremaa einen Urlaub plant, kann uns auch gerne hierüber anschreiben.
Vielleicht bis bald.
Vielen Dank, liebe Senfmacher :-), für die Tipps und das Teilen. Eure Insel ist wunderschön, wir werden sicher noch einmal wiederkommen. Liebe Grüße, Ines
PS: Und Euer Senf ist auch sehr lecker.
Oh, Estland sieht ja richtig hübsch aus. Das Land habe ich so gar nicht auf meinem Reiseradar. Gerade die Steilküste sieht ja mega aus. und da kommt man dann auch wieder hoch an dem Seil? Und wenn die Kraft nachlässt?
Sehr cool ist auch die Iglosauna (#habenwill).
Liebe Grüße
Christina
Ja Estland ist wirklich toll. Am Seil hochzuklettern fand ich viel anstrengender als runter. Habe wieder gemerkt, dass ich etwas Krafttraining machen muss ;-). Liebe Grüße, Ines
Herrlich! Nach Saaremaa und auch Pärnu will ich unbedingt einmal hin. Am besten im Sommer.
Ich bin sehr gerne in Estland, es war irgendwie Liebe auf den ersten Blick. 🙂 Ich hoffe ich schaffe es diese Jahr zumindest mal wieder nach Tallinn. 🙂
Viele Grüße,
Lara
Tallinn war unsere letzte Station in Estland, von dort ist es gar nicht so weit nach Saaremaa. Vielleicht schaffst Du es ja. Wirklich schön :-). Liebe Grüße, Ines
wie immer wunderbare Bilder und einladende Landschaften.was ist aus der großen Liebe geworden,sieht doch toll aus?
Merci vielmals. Die neue Liebe liegt auf Eis 😉
Hallo Ines,
ach, Saaremaa – auch eine große Liebe von mir, über die ich schon ein paar Mal gebloggt habe (https://nordetrotter.wordpress.com/category/unterwegs-in/estland/muhu-und-saaremaa/).
Das Seil an der Steilküste von Panga (übrigens auch in unseren Reisebroschüren erwähnt ;-)) haben wir leider gar nicht gesehen. Schade, denn ich hätte die Steilküste auch gerne von unten betrachtet.
Den Kaalikrater habe ich übrigens als ganz und gar unbeeindruckend empfunden – ja, so unterschiedlich sind manchmal die Wahrnehmungen!
Das mit den Windmühlen ist echt etwas kurios… es wird immer damit geworben, als ob die Dinger an jeder Ecke stehen würden, aber wir haben während 2 Besuchen gerade mal eine einzige gesehen, obwohl wir viel gefahren sind…
Viele Grüße,
Heike
Wie schön, dass es noch mehr Saaremaa-Fans gibt. Vor unserer Reise haben wir immer nur gehört, wir sollen unbedingt auf die kleinen Inseln fahren, Saaremaa ist so touristisch. Das ist Blödsinn.
Die meisten Windmühlen stehen an der Straße nach Panga, zumindest die, die wir gesehen haben. Liebe Grüße, Ines
Hallo Ines,
tolle Fotos und ein sehr schöner Bericht. Saaremaa hat uns auch sehr gefallen und auch wir haben die Insel alles andere als überlaufen erlebt. Wart ihr auch an der Halbinsel Harilaid und am schiefen Leuchtturm der inzwischen halb im Wasser steht? Das ist auch ein toller Platz. Und der Lahemaa Nationalpark östlich von Tallinn mit seinen riesigen Findlingen …
Aber wenn die Steilküste von Panga nicht in eurem Reiseführer stand, hattet ihr einfach den falschen dabei ;-). In unserem Tourenbuch »Estland« (Naturzeit Verlag) ist nicht nur Panga drin, sondern auch mehrere Moorpfade im Soomaa Nationalpark (auch der von Riisa)
Bei Amazon kannst Du ins Buch schauen: https://www.amazon.de/Estland-Entdeckertouren-zwischen-Naturzeit-Tourenbuch/dp/3944378083/ref=la_B00533XIDU_1_6?s=books&ie=UTF8&qid=1485531028&sr=1-6.
Liebe Grüße
Stefanie
Vielen Dank Stefanie. Lahemaa mussten wir streichen, da wir auf Sareemaa länger geblieben sind. Unsere Reise ging ja noch weiter nach Schweden und alles geht nicht. Irgendwann wollen wir von Tallinn nochmal Richtung russische Grenze fahren, dann ist Lahemaa auf jeden Fall dabei. Ich kenne die tollen Bilder vom Nationalpark. Liebe Grüße, Ines
PS: Wir hatten einen alten Reiseführer, aber das war egal. Gefunden haben wir die schönen Plätze ja trotzdem. Für die nächste Reise schaue ich mal in Euren rein. 🙂